Blickpunkt EZB: Rascher Aufstieg, langsamer Abstieg

Es ist soweit! Nachdem die EZB die Leitzinsen in den vergangenen zwei Jahren um 450 Basispunkte angehoben hat, wurde auf der heutigen Sitzung beschlossen den Kurs zu ändern und die Leitzinsen um 25 Basispunkte zu senken. Auch wenn die EZB mit Signalen für das weitere Vorgehen äußerst sparsam umgeht, ist es doch wahrscheinlich, dass der Weg nach unten viel langsamer sein wird als jener nach oben. Neue Wirtschaftsprognosen der EZB zeigen einen ähnlichen Ausblick wie im März mit etwas höherem Wachstum und Inflation.

Wie erwartet hat der EZB Rat heute beschlossen, die drei EZB-Leitzinsen jeweils um 25 Basispunkte zu senken. Der Einlagesatz steht nun bei 3,75 %, der Hauptrefinanzierungssatz bei 4,25 % und der Spitzenrefinanzierungssatz bei 4,50 %. Dies wurde auch so erwartet, waren EZB-Ratsmitglieder doch sehr bemüht ihr Vorhaben vorab zu signalisieren. Auch die Entscheidung, dass das PEPP Protfolio im zweiten Halbjahr um monatlich EUR 7,5 Mrd. reduziert wird, ist keine Überraschung sondern folgt früheren Beschlüssen.

Man kann allgemein behaupten, dass der geldpolitische Beschluss keine Überraschungen birgt. Einerseits wird der Fortschritt beim Inflationsrückgang und der verbesserte Inflationsausblick seit September letzten Jahres betont. Dies war auch der Zeitpunkt der letzten Zinserhöhung. Andererseits wird aber auch der nach wie vor starke heimische Inflationsdruck erwähnt, welcher im Zusammenhang mit erhöhtem Lohnwachstum zu sehen ist. Die letzte Inflationsveröffentlich für Mai hat diese Sorge weiter genährt.

Forward Guidance gibt die EZB keine. Noch im letzten geldpolitischen Beschluss (April), hielt die EZB fest, dass es angebracht sein wird, das Ausmaß der geldpolitischen Restriktion zu verringern, sollte sich das Vertrauen in die Rückkehr der Inflation zum Inflationsziel stärken. Rein theoretisch würde eine datengetriebene Forward Guidance dieser Art nicht im Widerspruch zum datengetriebenen Anspruch der EZB stehen. Nichtsdestotrotz wolle man wohl keine Spekuationen über eine Fortsetzung des Zinssenkungszyklus schon auf der nächsten Zinssitzung im Juli nähren. Datengetrieben und von Sitzung zu Sitzung, mehr an Forward Guidance bietet die EZB aktuell nicht an.

Die neuen Wirtschaftsprognosen der EZB entwickelten sich wie von uns erwartet. Sowohl das BIP-Wachstum als auch die Inflationsprognose wurden erhöht. 0,9 % BIP-Wachstum in 2024 statt 0,6 % spiegelt den besseren Start ins Jahr wider, aber unterstellt auch eine Fortsetzung der positiven Dynamik. Bei der Inflation wurde sowohl die Prognose der Gesamtrate als auch jene der Kernrate für das Jahr 2024 um 0,2 %-Punkte erhöht. Bessere Konjunkur-Dynamik aber auch etwas höher Energiepreis-Annahmen, zum Prognose-Stichtag, stehen wohl hinter dieser Aufwärtsrevision. Der mittelfristige Ausblick der EZB veränderte sich dadurch jedoch nicht maßgeblich.

Auf der Pressekonferenz betonte Präsidentin Lagarde, dass die Inflation bis weit ins nächste Jahr über dem Inflationsziel liegen wird. Auf Sicht der nächsten Monate wird eine Entwicklung nahe am aktuellen Niveau erwartet. Der Inflations-Pfad ist jedoch volatil und wird von erwarteten und unerwarteten Bodenwellen geprägt sein. Der Zins-Pfad wird sich als datengetrieben erweisen, so Lagarde. Um Entscheidungen über weitere Zinssenkungen zu treffen, müssen ausreichend Daten zur Verfügung stehen, die anhand der drei Parameter der EZB überprüft werden (Inflationsausblick, zugrundeliegende Inflation, Stärke der geldpolitischen Transmission). Naturgemäß ist die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung damit nach einer längeren Zeitperiod, wie ein Quartal, größer, insbesondere wenn aktualisierte Prognosen zur Verfügung stehen. Wir erachten unsere Einschätzung von weiteren Zinssenkungen im Quartalsschritt als unterstützt.

Am Finanzmarkt wurde die Zinssenkung mit steigenden Bund-Renditen und einer Aufwertung des Euro quotiert. Die Effekte können jedoch im Lichte der jüngsten Volatilität als marginal eingeschätzt werden. Man preist nach wie vor ein bis zwei weitere Zinssenkungen der EZB bis Jahresende. Gegeben des datengetriebenen Ansatzes der EZB wird der sich der Finanzmarkt weiterhin volatil präsentieren und inbesondere auf Datenveröffentlichungen merklich reagieren.

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Franz ZOBL

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Franz ist seit 2020 im Team Economics, Rates, FX bei Raiffeisen Research tätig und beschäftigt sich federführend mit US-Geldpolitik, Benchmark Renditen und EUR/USD. Als Volkswirt blickt er auf einige Jahre Berufserfahrung im Finanzsektor zurück. Er hält einen PhD von der London School of Economics und hat an der Wirtschaftsuniversität Wien, der Universität Wien sowie der Universität Tilburg studiert. Er ist Autor wissenschaftlicher Artikel im Bereich der Makroökonomie und hegt eine Leidenschaft für Wirtschaftsgeschichte.