Fokus Immobilien: Zyklus zu Ende – und jetzt?

Selbst die längste Schönwetterperiode geht irgendwann zu Ende. Dabei haben die letzten Jahrzehnte auf den globalen Immobilienmärkten gezeigt: Ein preislicher Wetterumschwung mündet nur selten in einem kräftigen Gewitter, Immobilienblasen stellten die Ausnahme und nicht die Regel dar. Die meisten Immobilienzyklen waren „unauffällig“ und sind im besten Fall ohne großen Knall „geräuschlos“ zu Ende gegangen. Im Mittel korrigierten die realen Immobilienpreise nach solchen Zyklen um 10 bis 20 %. Ein Preisrückgang, den wir auch für den österreichischen Markt für realistisch halten. Das bedeutet aber auch: Wohneigentum dürfte nach dem preislichen Gipfelsturm der letzten Jahre nur wenig an Höhe verlieren.

Alles hat ein Ende – auch der längste Immobilienzyklus

Befeuert vom stetigen Zinsrückgang kannten die Preise von Haus, Wohnung und Grund in Europa wie auch in Österreich über viele Jahre nur eine Richtung. Stetige und mitunter zweistellige Preisanstiege schienen der neue Normalzustand zu sein – und das trotz (oder wegen?) der diversen Krisen. Die Erfahrung, dass Immobilienpreise auch sinken können und eben keine Einbahnstraße sind, ist daher für viele eine neue. Das gilt insbesondere für Österreich, begann die nun zu Ende gegangene Phase steigender Immobilienpreise doch bereits im Jahr 2005 und damit so früh wie in keinem anderen europäischen Land. Dabei haben die letzten Jahrzehnte auf den globalen Immobilienmärkten gezeigt: Selbst der längste preisliche Steigflug geht irgendwann zu Ende. Doch was folgte danach? Wie liefen Phasen korrigierender Immobilienpreise in der Vergangenheit ab? Zwar sind Ausmaß und Dauer des preislichen Sinkflugs eine ebenso „individuelle Angelegenheit“ wie der vorangegangene Höhengewinn. Dennoch erlauben insbesondere die zugrundeliegenden Triebkräfte des Steigfluges gewisse Rückschlüsse darauf, wie lange und ausgeprägt die Preiskorrektur ausfällt. War beispielsweise der Preisanstieg „auf Sand gebaut“ und daher nicht nachhaltig, lag also eine Immobilienblase vor, folgte auf dessen Platzen zumeist ein besonders langer und markanter Preisrückgang. Deutlich kürzer und moderater waren hingegen die preislichen Verwerfungen in jenen Ländern, in denen der vorangegangene Preisanstieg nicht mit strukturellen Fehlentwicklungen „erkauft“ worden war. Die Vergangenheit bestimmt also zumindest teilweise auch die Zukunft. Doch welche Lehren können daraus für den gerade zu Ende gegangenen europäischen und insbesondere österreichischen Immobilienzyklus gezogen werden? Deuten beendete und ähnlich gelagerte Phasen steigender Preise auf eine kurze und leichte Preiskorrektur oder einen langanhaltenden und tiefen Preisverfall hin?


Immobilienzyklen: Intensität vs. Länge
Definition Zyklus: Immobilienpreisindex (real) eines Quartals liegt über dem Durchschnitt der vorangegangenen 8 Quartale; gelb: bereits vor 2022 beendete Zyklen, grau: 2022 noch laufende Zyklen
Quelle: OECD, Refinitiv, RBI/Raiffeisen Research

„Gute“ und „schlechte“ Preisanstiege: Immobilienzyklus ist nicht gleich Immobilienzyklus

Grundsätzlich gilt: Immobilienzyklen sterben nicht an Altersschwäche, sondern werden „umgebracht“, sprich es bedarf eines oder mehrerer Ereignisse, die einer Phase steigender Preise ein Ende bereiten. Eine markante und lang andauernde Rezession mit entsprechenden Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt/der Einkommensseite(!) oder ein deutlicher Zinsanstieg können einer Phase steigender Preise ein Ende bereiten. Gerade bei jenen Immobilienzyklen, die nicht auf einem soliden Fundament standen, reichte schon vergleichsweise geringer zinsseitiger Gegenwind aus, um das Kartenhaus zum Einsturz zu bringen. Allerdings endete bei weitem nicht jeder Zyklus mit einem „großen Knall“, der jahrelange und deutliche Preisrückgänge nach sich zog und die Gesamtwirtschaft in eine Rezession stürzte. Denn es gab weitaus mehr Zyklen, die im besten Fall einfach ausgelaufen und somit ohne große Preiskorrektur „geräuschlos“ zu Ende gegangen sind.

Um zu beurteilen, ob es sich um einen „guten“ oder „schlechten“ Immobilienzyklus handelt (Definition Zyklus: Realer Immobilienpreisindex eines Quartals > Durchschnitt der vorangegangenen 8 Quartale), ist jedoch die ausschließliche Betrachtung der Preisentwicklung nicht ausreichend. Vielmehr bedarf es eines Blicks unter die preisliche Oberfläche. Genau das haben wir in einem ersten Schritt zunächst bei jenen der weltweit 34 von uns identifizierten Immobilienzyklen getan, die bereits mehr oder weniger lange vor der Zinswende des Jahres 2022 zu Ende gegangen sind (verglichen mit 22 im Jahr 2022 noch laufenden Zyklen).

Immobilienbasen: Ausnahme und nicht die Regel

Was waren in der Vergangenheit klare „Warnsignale“? Zwar ist die Benennung einer Immobilienblase (oder jeder anderen Vermögenspreisblase) als solche in „Echtzeit“ ein äußerst schwieriges Unterfangen. Und auch im Nachhinein gehen die Meinungen häufig auseinander. Dennoch gibt es Indizien, die auf eine nicht nachhaltige Preisentwicklung schließen lassen.


Bauinvestitionen (in % des BIP): Vor und nach dem preislichen Höhepunkt
x-Achse: Monate vor (<0, links) und nach (>0, rechts) dem Höhepunkt (0) der realen Immobilienpreise; Immobilienblasen: mind. 2 der 3 verwendeten Indikatoren liegen klar (>25 %) über dem jeweiligen Durchschnitt der 34 historischen Immobilienzyklen; keine Fehlentwicklungen: mind. 2 der 3 verwendeten Indikatoren liegen unter dem jeweiligen Durchschnitt der 34 historischen Immobilienzyklen; partielle Fehlentwicklungen: max. einer der verwendeten Indikatoren liegt klar (>25 %) über dem jeweiligen Durchschnitt der 34 historischen Immobilienzyklen; Indikatoren: Haushaltsverschuldung (% BIP): Veränderung in Prozentp. Zyklusende ggü. Zyklusbeginn; Bausektor (% BIP): Veränderung Zyklusende ggü. ø 2000-2022; Verhältnis Immobilienpreise/Einkommen (Index, ø 2000-2022): Veränderung Zyklusende ggü. Zyklusbeginn
Quelle: OECD, Refinitiv, RBI/Raiffeisen Research


So waren ein deutlicher Anstieg der Haushaltsverschuldung (in % des BIP), ein merklicher Bedeutungsgewinn des Bausektors (Anstieg Bauinvestitionen in % des BIP) sowie ein „Davoneilen“ der Immobilienpreise verglichen mit den Einkommen (Anstieg Verhältnis Preise zu Einkommen) nicht selten Vorboten eines preislichen Sturzfluges nach Zyklusende. Konkret haben wir fünf Phasen steigender Immobilienpreise identifiziert, die am preislichen Höhepunkt bei zumindest zwei der drei genannten Indikatoren klar überdurchschnittliche Niveaus aufgewiesen haben. Das bedeutet aber auch: Immobilienblasen stellen historisch betrachtet die Ausnahme und nicht die Regel dar (5 von 34).


Immobilienzyklus ist nicht gleich Immobilienzyklus
Immobilienblasen: mind. 2 der 3 verwendeten Indikatoren liegen klar (>25 %) über dem jeweiligen Durchschnitt der 34 historischen Immobilienzyklen; keine Fehlentwicklungen: mind. 2 der 3 verwendeten Indikatoren liegen unter dem jeweiligen Durchschnitt der 34 historischen Immobilienzyklen; partielle Fehlentwicklungen: max. einer der verwendeten Indikatoren liegt klar (>25 %) über dem jeweiligen Durchschnitt der 34 historischen Immobilienzyklen; Indikatoren: Haushaltsverschuldung (% BIP): Veränderung in Prozentp. Zyklusende ggü. Zyklusbeginn; Bausektor (% BIP): Veränderung Zyklusende ggü. ø 2000-2022; Verhältnis Immobilienpreise/Einkommen (Index, ø 2000-2022): Veränderung Zyklusende ggü. Zyklusbeginn
Quelle: OECD, Refinitiv, RBI/Raiffeisen Reserach


Dazu gehört die zwölfjährige (1997-2008) Phase steigender Immobilienpreise in Spanien, die seitdem als Paradebeispiel einer Immobilienblase gilt. Der Bausektor stand kurz vor deren Platzen für 12 % des BIP, womit der langjährige Durchschnitt (2000 – 2022) Spaniens um fast 50 % übertroffen worden ist. Zwar wiesen auch die übrigen 33 Länder am Höhepunkt der entsprechenden Immobilienzyklen einen größeren Bausektor auf als sonst üblich (+10 % ggü. langfr. Durchschnitt). Der Bedeutungsgewinn war jedoch nur in Irland (1994-2008: +80 % ggü. langfr. Durchschnitt) und damit einem weiteren klassischen Beispiel einer Immobilienblase noch höher. Nicht anders das Bild bei der Haushaltsverschuldung. Im Mittel kletterten die Verbindlichkeiten der privaten Haushalte (aufgrund der Datenverfügbarkeit werden hier sämtliche Verbindlichkeiten der priv. Haushalte betrachtet und nicht ausschließlich die Hypothekarkredite) zwischen Anfang und Ende der 34 Immobilienzyklen um 18 Prozentpunkte des BIP – in Spanien waren es 50 Prozentpunkte (von 32 auf 82 % des BIP). Schließlich hat sich auch das Verhältnis von Preisen zu Einkommen auf der Iberischen Halbinsel bis 2008 deutlicher verschlechtert als in den übrigen Ländern: Lag der entsprechende Wert 1997 (Zyklusbeginn) noch 30 % unter dem langfristigen Durchschnitt des Landes, überstieg das Verhältnis von Preisen zu Einkommen 2008 (Zyklusende) den eigenen Durchschnittswert um 25 % – ein Plus von 55 Prozentpunkten und damit spürbar mehr als im Mittel der 34 analysierten Immobilienzyklen (+29 Prozentpunkte).

Mit Blick auf Ausmaß und Dauer des Preisanstiegs gilt: Immobilienblasen (bzw. die fünf von uns als solche identifizierten Zyklen) wurden in der Vergangenheit im Durchschnitt 16 Jahre alt und verzeichneten in diesen 16 Jahren einen realen Preisanstieg von 158 %. Damit dauerte ein Zyklus, der in einer Blase mündete, fast doppelt so lange wie ein durchschnittlicher Zyklus (9 Jahre) und wies einen mehr als doppelt so hohen Preisanstieg auf (158 % ggü. 69 %).

So weit, so gut. Doch wie lief die Korrekturphase nach dem Platzen einer Immobilienblase ab? Hier gilt: Was hoch gestiegen ist, ist auch tief gefallen. Die Phase sinkender Immobilienpreise nach dem Platzen einer Blase dauerte mit 5 Jahren zwar genauso lange wie bei einem normalen Zyklus nach dessen Ende, war mit 29 Prozent (real) aber deutlich ausgeprägter (-19 % Durchschnitt aller Zyklen).


Immobilienzyklen: Preisanstieg und nachfolgender Preisrückgang
Immobilienblasen: mind. 2 der 3 verwendeten Indikatoren liegen klar (>25 %) über dem jeweiligen Durchschnitt der 34 historischen Immobilienzyklen; keine Fehlentwicklungen: mind. 2 der 3 verwendeten Indikatoren liegen unter dem jeweiligen Durchschnitt der 34 historischen Immobilienzyklen; partielle Fehlentwicklungen: max. einer der verwendeten Indikatoren liegt klar (>25 %) über dem jeweiligen Durchschnitt der 34 historischen Immobilienzyklen
Quelle: OECD, Refinitiv, RBI/Raiffeisen Research

Immobilienzyklen: Dauer des Preisanstiegs und nachfolgenden Preisrückgangs
Immobilienblasen: mind. 2 der 3 verwendeten Indikatoren liegen klar (>25 %) über dem jeweiligen Durchschnitt der 34 historischen Immobilienzyklen; keine Fehlentwicklungen: mind. 2 der 3 verwendeten Indikatoren liegen unter dem jeweiligen Durchschnitt der 34 historischen Immobilienzyklen; partielle Fehlentwicklungen: max. einer der verwendeten Indikatoren liegt klar (>25 %) über dem jeweiligen Durchschnitt der 34 historischen Immobilienzyklen
Quelle: OECD, Refinitiv, RBI/Raiffeisen Reserach

„Unauffällige“ Immobilienzyklen enden zumeist „geräuschlos“

Aber es geht auch anders. Denn es gab durchaus Länder, in denen Phasen realer Preisanstiege auf dem Immobilienmarkt nicht gleichbedeutend waren mit dem Aufbau struktureller Fehlentwicklungen. Ganz im Gegenteil: Bei acht der 34 Immobilienzyklen und damit bei immerhin fast einem Viertel waren sowohl der Anstieg der Haushaltsverschuldung als auch die Größe des Bausektors sowie das Verhältnis von Preisen und Einkommen im Verlauf des Zyklus bzw. auf dessen Höhepunkt unterdurchschnittlich („keine Fehlentwicklungen“). Es gab also mehr „unauffällige“ Immobilienzyklen als Immobilienblasen. Zwar war der preisliche Steigflug in diesen Fällen kürzer und der Höhengewinn geringer (+30 % bzw. 6 Jahre). Dafür folgte auf diesen Steigflug zumeist kein Sturzflug, sondern einfach nur das Beibehalten der Flughöhe bis maximal leichte Höhenverluste. Immobilienzyklen ohne „Warnsignale“ sind also nicht selten einfach „ausgelaufen“. In durchschnittlich drei Jahren korrigierten die realen Immobilienpreise um lediglich sieben Prozent, kaum vier Jahre später wurden bereits wieder neue Preishochs erklommen. So geschehen in Finnland, das in den Nullerjahren (2002-2008) eine Phase steigender Immobilienpreise verzeichnete. Auf einen realen Preisanstieg von 25 % folgte lediglich eine moderate Korrektur von 7 % (nominal: 4 %) innerhalb kaum eines Jahres. Die Tatsache, dass in den sechs Jahren zwischen 2002 und 2008 Bewertungskennzahlen wie das Verhältnis von Preisen zu Einkommen nur leicht über den langfristigen Durchschnittswert angestiegen sind, hat den Korrekturbedarf sicherlich begrenzt.

Natürlich spielen viele qualitative Faktoren bzw. Politikentscheidungen (inkl. Regulierung, Steuergesetzgebung, Geldpolitik) eine Rolle bei der Frage, ob ein Land einen „guten“ (läuft einfach aus) oder „schlechten“ (Boom-Bust) Immobilienzyklus durchlebt. Allerdings fällt auf, dass am Anfang vieler nicht nachhaltiger Zyklen eine Unterbewertung (Verhältnis Preise zu Mieten & Einkommen) vorzufinden war – nicht jedoch so bei „guten“ Immobilienzyklen. Dieser „Aufholbedarf“ dürfte wiederum ein Grund für die zu Zyklusbeginn höhere Preisdynamik gewesen sein. Am Anfang vieler Zyklen, die sich zu Immobilienblasen entwickelt haben, standen also oftmals stärkere Preisanstiege bei gleichzeitiger Unterbewertung. Eine Kombination, die eine nicht nachhaltige Entwicklung begünstigt haben könnte.


Verhältnis Preise/Einkommen (langfr. Durchschnitt = 100)
Immobilienblasen: mind. 2 der 3 verwendeten Indikatoren liegen klar (>25 %) über dem jeweiligen Durchschnitt der 34 historischen Immobilienzyklen; keine Fehlentwicklungen: mind. 2 der 3 verwendeten Indikatoren liegen unter dem jeweiligen Durchschnitt der 34 historischen Immobilienzyklen; partielle Fehlentwicklungen: max. einer der verwendeten Indikatoren liegt klar (>25 %) über dem jeweiligen Durchschnitt der 34 historischen Immobilienzyklen
Quelle: OECD, Refinitiv, RBI/Raiffeisen Research


Jedoch ist selten alles entweder schwarz oder weiß, oder besser gesagt „grün“ oder „rot“. So auch in dieser Hinsicht. Denn abseits der beiden Extreme gab es in der Vergangenheit viele Phasen steigender Immobilienpreise, die weder „auf Sand gebaut“ noch völlig frei von Warnsignalen („keine Fehlentwicklungen“) waren. Mit einem Anteil von fast zwei Drittel (62 % bzw. 21 Zyklen) stellten diese Zyklen („partielle Fehlentwicklungen“), bei denen nur einer der drei genannten Indikatoren im „roten“ (sprich klar überdurchschnittlichen) Bereich lag, sogar den Regelfall dar. Nicht schwarz, nicht weiß; nicht grün, nicht rot – das gilt bei diesen Zyklen nicht nur für den Blick unter die preisliche Oberfläche, sondern ebenso für die Preisentwicklung selbst: Dauer (8 Jahre) und Ausmaß (63 %) des preislichen Höhengewinns wie auch Ausmaß der nachfolgenden Preiskorrektur (-21 %) bewegten sich bei diesen „gelben“ Zyklen („partielle Fehlentwicklungen“) zwischen den beiden Extremen.

Lehren für die aktuelle Situation in Europa

Der heftige Gegenwind, dem die Immobilienmärkte derzeit ausgesetzt sind, hat für die meisten, wenn nicht gar für alle der 22 im Vorjahr global noch laufenden Immobilienzyklen die „sorglose Schönwetterperiode“ abrupt beendet. Zum Vergleich: Die Finanzkrise läutete lediglich für 14 Länder das Ende steigender Immobilienpreise ein. Welche Schlussfolgerungen können nun aus den Erfahrungen der Vergangenheit (auch abseits der Finanzkrise) für den österreichischen wie auch europäischen Immobilienmarkt in Zeiten der Zinswende gezogen werden? Die gute Nachricht gleich vorweg: Anders als 2008/2009 lässt sich bei Betrachtung der Fundamentaldaten kein „Blasenkandidat“ ausmachen, denn keiner der 22 Märkte wies zuletzt bzw. 2022 in mehr als einer der von uns identifizierten Dimensionen (Anstieg Haushaltsverschuldung, Größe Bausektor, Anstieg Verhältnis Preise/Einkommen) besorgniserregende, sprich klar überdurchschnittliche Werte auf. Sämtliche derzeitigen bzw. gerade beendeten Zyklen sind somit im „grünen“ (alle Dimensionen unterdurchschnittlich) oder „gelben“ (nur eine der drei Dimensionen klar überdurchschnittlich) Bereich zu verorten. Dazu passt, dass die in Europa über die gesamte Zyklusdauer verzeichneten realen Preisanstiege von durchschnittlich +54 % (bzw. 45/65 % bei „grünen“/„gelben“ Zyklen) vergleichbar sind mit den realen Wertzuwächsen früherer Zyklen ohne bzw. nur mit partiellen Fehlentwicklungen. Im Anschluss an derartige Phasen steigender Preise korrigierten die realen Immobilienpreise in der Vergangenheit um durchschnittlich etwa 10 („grün“) bis 20 % („gelb“), was nun ebenfalls realistisch erscheint. Damit würden die realen Immobilienpreise nach dem preislichen Gipfelsturm der letzten Jahre nur wenig an Höhe verlieren. Dies gilt umso mehr für die nominalen Immobilienpreise, da ein realer Preisrückgang von 10 % auf Sicht der nächsten Jahre stagnierende bis leicht ansteigende nominale Preise hinausliefe.


Immobilienpreise (real): Aufstieg & Abstieg vom Preisgipfel
x-Achse: Monate vor (<0, links) und nach (>0, rechts) dem Höhepunkt (0) der realen Immobilienpreise (indexiert auf preislichen Höhepunkt, 0 = 100)
Quelle: OECD, Refinitiv, RBI/Raiffeisen Research

Österreich: Implikationen für weltweit „dienstältesten“ Zyklus

Gelten diese Schlussfolgerungen auch für den österreichischen Immobilienmarkt? Immerhin ist der österreichische Immobilienzyklus unter den 22 gerade zu Ende gegangenen ein ganz besonderer, war er doch mit einer Dauer von 17 Jahren (2005-2022) der „dienstälteste“. Und auch wenn man den Kreis um die historischen, also bereits mehr oder weniger lange vor 2022 beendeten Zyklen erweitert, lässt sich nur einer finden, der ein höheres Lebensalter erreichen konnte (Belgien: 28 Jahre). Mit seinen 17 Jahren ist der österreichische Immobilienzyklus damit auch etwas älter geworden als die fünf identifizierten Immobilienblasen, die es im Durchschnitt auf 16 Jahre brachten. Gegeben seines Alters mutet der zwischen 2005 und 2022 verzeichnete reale Preisanstieg von 92 % zwar nicht besorgniserregend an und reicht in diesem Fall bei weitem nicht an das heran, was sich in den Blasenländern in Sachen Preisdynamik abgespielt hat. Verglichen mit den Immobilienzyklen, die nicht auf Sand gebaut, sondern auf einem soliden Fundament standen („grün“ oder „gelb“), sticht die Beinahe-Verdopplung über die gesamte Lebensdauer aber sehr wohl ins Auge. Doch auch in diesem Fall sind Dauer und Höhengewinn des preislichen Steigflugs allein kein ausreichendes Kriterium, um dessen Tragfähigkeit zu beurteilen. Der Blick unter die preisliche Oberfläche zeigt denn auch einen Immobilienmarkt, auf dem zwar die Schere zwischen Immobilienpreisen und Einkommen deutlicher auseinander gegangen ist als in den meisten anderen Ländern (die 2023/24 in Summe erwartete nominale Preiskorrektur von 10 % in Verbindung mit nominalen Einkommenszuwächsen von in Summe 15 % dürften das Verhältnis von Einkommen/Preisen jedoch von 151 % des langfr. Durchschnitts bis Ende 2024 auf 117 % verringern und damit diese Überbewertung großteils abbauen). Im Hinblick auf die Haushaltsverschuldung wie auch den Bedeutungsgewinn des Bausektors war und ist der österreichische Markt hingegen „unauffällig“. Trotz der langen Lebensdauer gibt es daher kaum Hinweise darauf, dass die reale Preiskorrektur hierzulande markanter ausfallen wird als in den anderen Ländern Europas. Vielmehr befindet sich der österreichische Markt in guter Gesellschaft: Zwar nicht völlig, so doch aber großteils frei von Fehlentwicklungen. Eine Beschreibung, die nicht nur die vergangenen 17 Jahre auf dem österreichischen Immobilienmarkt zusammenfasst, sondern für die Hälfte der gerade zu Ende gegangenen Immobilienzyklen gilt. Wenn sich die Geschichte zwar nicht wiederholt, so doch aber zumindest reimt, dann lassen die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte für den österreichischen Immobilienmarkt ein reales Korrekturpotenzial von etwa 20 Prozent erwarten. Ein Wert, der sich in unserer derzeitigen Prognose (nominaler Preisrückgang von 10 %, Inflation von gut 10 % 2023/24) widerspiegelt. Jedoch beläuft sich allein der seit Anfang 2020 verzeichnete nominale Preisanstieg trotz der bereits gesehenen Rückgänge immer noch auf etwa 30 %. Auch nach der erwarteten Korrektur in diesem und im nächsten Jahr (die sich aber auch länger hinziehen könnte, wie in früheren Zyklen üblich), dürfte Wohneigentum somit teurer bleiben als vor der Pandemie. Nur moderate Preiskorrekturen bei gleichzeitig dauerhaft höheren Zinsen – daraus folgt: Das Thema Leistbarkeit ist gekommen, um zu bleiben. Denn die (bei Kreditfinanzierung) akzeptablen Leistbarkeitsniveaus (gemessen an der monatl. Kreditbelastung in % des Haushaltseinkommens), die vor der Zinswende vorherrschend waren, werden so schnell nicht wieder erreicht werden. Der Eigentumserwerb wird dadurch dauerhaft schwieriger sein, als es bis Anfang 2022 der Fall gewesen ist.

Risikofaktoren

Und wenn sich die Geschichte nicht einmal reimt? Natürlich können vergangene Entwicklungen trotz Parallelen nicht ohne weiteres auch für die Zukunft angenommen werden. So sind die Rahmenbedingungen im Jahr 2023 (und danach) andere als zum Zeitpunkt des Auslaufens früherer Immobilienzyklen, immerhin haben wir nach Jahren der Null- und Negativzinsen in den letzten 12 Monaten den schnellsten und kraftvollsten Zinserhöhungszyklus in der gar nicht mehr so jungen EZB-Geschichte gesehen. Mittlerweile ist der Zinsgipfel nahe, doch kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass die EZB noch weiter ins restriktive Terrain vorstößt (vorstoßen muss). Der zinsseitige Gegenwind wäre dann noch größer als unterstellt, was wohl auch für die Preiskorrektur auf den Immobilienmärkten gelten würde.

Ferner ist nicht auszuschließen, dass etwaige stärkere Korrekturen auf Teilmärkten (Gewerbeimmobilien) bzw. ausländischen Immobilienmärkten zu einem gewissen Grade auf den österreichischen Wohnimmobilienmarkt ausstrahlen und die Preiskorrektur (etwas) prononcierter ausfallen ließen als derzeit von uns unterstellt (nominale Preiskorrektur von 10 % 2023/24).

Fazit

Längere Phasen steigender Immobilienpreise können einander ähneln, komplett gleich sind sie jedoch nie. Eines verbindet aber alle: Selbst die längste Schönwetterperiode geht irgendwann zu Ende. Dabei haben die letzten Jahrzehnte auf den globalen Immobilienmärkten gezeigt: Ein preislicher Wetterumschwung mündet nur selten in einem kräftigen Gewitter, ein preislicher Sturzflug nach dem Steigflug war eher die Ausnahme als die Regel. Von den 34 globalen Immobilienzyklen, die bereits vor der Zinswende des Jahres 2022 zu Ende gegangen sind, waren nur fünf Immobilienblasen und damit „auf Sand gebaut“. Die große Mehrheit wies hingegen keine oder kaum strukturelle Fehlentwicklungen auf und war daher „unauffällig“. Diese Zyklen sind im besten Fall einfach ausgelaufen und somit ohne „großen Knall“ „geräuschlos“ zu Ende gegangen.

Welche Schlussfolgerungen können aus den Erfahrungen der Vergangenheit für den österreichischen wie auch europäischen Immobilienmarkt in Zeiten der Zinswende gezogen werden? Der heftige Gegenwind, dem die Immobilienmärkte derzeit ausgesetzt sind, hat für die meisten, wenn nicht gar für alle der im Vorjahr noch laufenden Immobilienzyklen die „sorglose Schönwetterperiode“ abrupt beendet. Die gute Nachricht gleich vorweg: Anders als 2008/2009 lässt sich bei Betrachtung der Fundamentaldaten kein „Blasenkandidat“ ausmachen. Dazu passt, dass die in Europa über die gesamte Zyklusdauer verzeichneten realen Preisanstiege von durchschnittlich +54 % vergleichbar sind mit den Wertzuwächsen früherer Zyklen ohne nennenswerte strukturelle Fehlentwicklungen. Im Anschluss an derartige Phasen steigender Preise korrigierten die realen Immobilienpreise in der Vergangenheit um durchschnittlich etwa 10 bis 20 %, was nun ebenfalls realistisch erscheint. Damit würden die realen Immobilienpreise nach dem preislichen Gipfelsturm der letzten Jahre nur wenig an Höhe verlieren.

Der österreichische Immobilienzyklus ist unter den 22 gerade zu Ende gegangenen ein ganz besonderer, war er doch mit einer Dauer von 17 Jahren (2005-2022) der „dienstälteste“. Trotzdem zeigt der Blick unter die preisliche Oberfläche einen weitestgehend „unauffälligen“ Immobilienzyklus. Wenn sich die Geschichte zwar nicht wiederholt, so doch aber zumindest reimt, dann lassen die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte für den österreichischen Immobilienmarkt ein reales Korrekturpotenzial von etwa 20 Prozent realistisch erscheinen (wobei es natürlich Risikofaktoren gibt, unter anderem noch mehr Zinserhöhungen als derzeit erwartet). Ein Wert, der sich in unserer derzeitigen Prognose (nominaler Preisrückgang von 10 %, Inflation von gut 10 % 2023/24) widerspiegelt.

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Matthias REITH

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Matthias Reith blickt auf mehr als 10 Jahre Erfahrung bei Raiffeisen Research zurück. Damals wie heute ist er verantwortlich für die Analyse der österreichischen Volkswirtschaft, im Jahr 2020 hat er zudem maßgeblich das österreichische Bundesländer-Immobilienresearch mit aufgebaut. Ferner befasst sich Matthias Reith mit anderen Euroländern sowie der gesamten Eurozone und nimmt dabei neben der Konjunktur insbesondere die Fiskalpolitik ins Visier. Matthias Reith kann neben regelmäßiger Vortragstätigkeit auch mehrjährige Unterrichtserfahrung vorweisen. Wandern zählt zu seinen Hobbys, das Land seiner schwerpunktmäßigen Analyse hat Matthias Reith zu Fuß von Ost nach West durchquert.